Freitag, 18. März 2022

Donner und Blitz

Die Hollywood-Blockbuster-Klangwalze rollt heran: „Der Klang der Offenbarung des Göttlichen“ im Wiener Volkstheater.

Ist das Alte besser als das Neue? Oder anders gefragt: Lässt sich das Theater des 21. Jahrhunderts mit den Mitteln des 20. Jahrhunderts erneuern? Diese Fragen umkreist der isländische Künstler Ragnar Kjartansson in seinem 2014 uraufgeführt Musiktheaterstück „Der Klang der Offenbarung des Göttlichen“, das nun im Volkstheater gastiert. Nach 50 Minuten „Klang der Offenbarung“ wird deutlich, dass die intendierte Auffrischung wohl nicht glückt.

Was lief schief? Ausgangspunkt der szenischen Recherche ist der Roman „Weltlicht“ des isländischen Nobelpreisträgers Halldór Laxness (1902-1998). Laxness verknüpft darin Motive des Expressionismus und Surrealismus mit nordischen Mythen – von der abenteuerlichen Volksdichtung ist in „Klang der Offenbarung“ nichts übrig geblieben. Auf der Bühne agieren keine Akteure, allein das Bühnenbild hat einen großen Auftritt: Knapp eine Stunde lang wechseln sich Bühnenbilder ab, die romantische Szenerien à la Max Reinhardts „Sommernachtstraum“ von 1935 zitieren.

Das erste Bild zeigt Wellen, darauf folgen karge Wälder, schließlich schroffe Felsen – die arg versimpelte Idealisierung isländischer Landschaft inklusive Donnergrollen, Blitzen, Lagerfeuer. Beim Grundkurs Landschaftspoesie mangelt es auch nicht an Schneefall, Sonnenuntergängen und Mondschein.

Ideenlieferant für die bizarre Bühnenshow ist der britische Maler und Theatermacher Hubert von Herkomer (1849-1914), der Ende des 19. Jahrhunderts sogenannte „Pictorial Music Plays“ entwickelte. Herkomer wollte das Theater vom Bühnenspiel befreien – das gesprochene Wort wird durch das Lied ersetzt, Narration und Schauspiel sind überflüssig, für Stimmung und Atmosphäre sorgen allein Musik und Bühnenbilder. Herkomer experimentierte mit dem seinerzeit neuartigen elektrischen Licht; er beeinflusste wiederum die Bühnenbilder von Edward Gordon Craig, einem der maßgeblichen Theaterreformer zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

In „Der Klang der Offenbarung“ spielt Musik ebenfalls die Hauptrolle. Der Komponist Kjartan Sveinsson, Mitglied der isländischen Postrock-Band „Sigur Rós“, entwickelt für das Theaterprojekt einen Soundtrack, der sich anhört wie eine Hollywood-Blockbuster-Klangwalze nach Edvard Grieg: romantischer Klangeinheitsbrei.

Die Wiener Symphoniker unter Leitung von Johannes Hiemetsberger geben immerhin ihr Bestes, um die Vorlage achtbar erklingen zu lassen, der renommierte Chorus sine nomine steuert Lieder bei, die aus Laxness‘ Roman „Weltlicht“ extrahiert wurden. Ein Hoch der Naturschönheit Islands.

An diesem Abend dreht sich so gut wie alles um die Suche nach Schönheit, die mit den Stilmitteln des Romantischen heraufbeschworen wird. Gerade Schönheit und Kunst bilden bekanntermaßen eine knifflige Liaison, der sich Regisseur Kjartansson und Team am Ende nicht ganz gewachsen zeigen.